Carlotta Felicia Itala von Haebler (*1991 in Göttingen) ist freie Künstlerin, lebt und arbeitet seit 2021 in Bremen.
Persönliches Statement
In meiner künstlerischen Praxis spielt weniger das Thema eine Rolle, als meine Positionierung während des Tuns. Ich versuche mich permanent in einem Dazwischen zu halten, in Bewegung zu sein, meine eigenen gedanklichen Konzepte wahrzunehmen, sie zu subvertieren und bewusst zu überschreiten. Dabei widme ich mich der Philosophie, darstellenden Kunst und bildenden Kunst. In meinem Arbeitsprozess, der eine zentrale Rolle spielt, entstehen u.A. Texte, Malereien, Notizen, Filmschnipsel, welche alle gleichermaßen Anteil an meinem Endprodukt haben. In einer Installation im Raum bringe ich diese zusammen. Die akribische Inszenierung jedes einzelnen Elements ist mir wichtig. Ich verstehe meine Installationen und Performances als 3D Malereien, in welchen mein Körper das bewegte und bewegende Element ist.Mein künstlerisches Interesse gilt einem Dazwischen, Grenzüberschreitungen, gesellschaftlichen Tabus, wie tabuisierte Gefühle, Wünsche oder Handlungen und der Möglichkeit zu Transformation. Ich verstehe diese als verletzlichen und zerbrechlichen Teil des Seins, der etwas Rätselhaftes und Ungreifbares an sich hat und damit unangenehm und unheimlich ist.
Über meine Arbeit
Extime Begegnungen
»Ich gehe hin und es passiert.« In meinen Notizen entdecke ich mehrere solcher Sätze. Carlotta von Haebler hat oft auf meine Frage so geantwortet. Daraus ist immer ein anregender Dialog entsprungen. Sie geht hin, setzt sich hin und es passiert. Sei es das Schreiben, Zeichnen oder der Prozess, aus dem ihre Performances entstehen. Etwas treibt sie, sich dem es auszusetzen. Diese Weise klingt sehr intim, aber es ist vielleicht besser sie als extim, um mit Lacan zu sprechen, zu bezeichnen. Denn Carlotta scheint gar nicht aus einem intimen Raum zu handeln, sondern sich von jenen Kräften treiben zu lassen, die die Grenze zwischen Innen und Außen immer umschreiben, verschieben, neu verhandeln. Die intimste Einstellung enthüllt sich als eine, die nach Außen blickt; Die Grenze zwischen intim und fremd ist nicht fest. Sie lässt diese zu dem Punkt werden, wo Rück- und Vorderseite, innen und außen, persönlich und öffentlich ununterscheidbar werden. Die Grenze wird zum Umkehrungspunkt einer topologischen Fläche. Ihre Werke haben dieselbe Bereitschaft zu einer Fläche zu werden, in die sich etwas einschreiben kann. Wer oder was schreibt sich dadurch ein? Sie? Ihre Erfahrung? Weder noch und gleichzeitig beide und noch etwas dazu und vielleicht auch etwas weniger. Sie überlässt sich ihrer Relation zur Welt. Hat das Subjekt wirklich eine andere Chance? Was uns zum Subjekt macht, kommt von der Sprache, vom Außen, von der Vergangenheit, vom Vulkan, vom Meer, vom Berg. Die Grenze zwischen Subjekt und Welt wird immer wieder erneut verhandelt. Was für ein Subjekt ist das der Kunst? Carlottas Werke laden mich ein, diese Frage zu stellen. »Ich gehe hin und es passiert.« Ohne hinzugehen und sich überraschen zu lassen, ohne sich hinzusetzen und aufzuschreiben, ohne das Risiko einzugehen, dass es passieren kann (aber auch nicht), gibt es kaum die Möglichkeit dem Subjekt des Begehrens in der Kunst nachzuspüren. Denn das Begehren bleibt unbewusst. Dem Begehren nachspüren geht nur durch das Risiko, uns vom Unbewussten ein bisschen treiben zu lassen.
Autorin: Camilla Croce